30 Jahre Mazda-Triumph in Le Mans.

vor 3 Jahren

Vor 30 Jahren – am Sonntag, den 23. Juni 1991– raste Johnny Herbert um vier Uhr nachmittags in seinem roten Mazda 787B die Mulsanne-Gerade hinunter, als er über den knisternden Boxenfunk kontaktiert wurde. Es war geschafft: Mit seinem Team von Mazdaspeed – der Motorsportabteilung von Mazda – hatte er die brutalen 24 Stunden von Le Mans gewonnen, das berühmteste Rennen im Langstrecken-Motorsport. Ein historischer und enorm bedeutsamer Sieg, denn zuvor hatten weder ein Rennwagen mit Kreiskolbenmotor noch ein japanischer Hersteller jemals in Le Mans triumphiert.


DER WEG ZUM SIEG

Während der legendäre 787B bis heute als Wankelmotor-Rennwagen auf dem ersten Platz in Erinnerung bleibt, sollten auch seine Vorgänger nicht vergessen werden. Schließlich waren sie es, die den Weg zum Sieg ebneten. Rennwagen mit Wankelmotoren von Mazda waren bereits 1970 am Le Mans-Rennen beteiligt, und traten auch in den folgenden Jahren an, darunter modifizierte Chevron B16 sowie Mazda MC73, MC74 und Mazda 252i, 253 und 254 auf Basis des Mazda Savanne RX-7. Leider wurde keinem von ihnen ein Sieg gewährt.

Der erste Mazda, der speziell für den Rennsport entwickelt wurde, war der Mazda 717C mit dem 13B- Kreiskolbenmotor. Drei von ihnen traten 1983 in Le Mans an, zwei überquerten die Ziellinie – einer gewann die Gruppe C-Junior-Klasse im Eröffnungsjahr, der andere wurde Zweiter in seiner Klasse. Der 717C mit der Nummer 60 verzeichnete mit 3,2 km/l auch den besten Kraftstoffverbrauch während des gesamten Rennens. 1984 traten vier Wankelmotorwagen in der umbenannten C2-Klasse (ehemals Gruppe C Junior) in Le Mans an. Zwei 727C des Mazdaspeed-Teams und zwei Lola T616 Mazdas des amerikanischen B.F. Goodrich-Teams. Alle Autos absolvierten die vollen 24 Stunden erfolgreich, wobei der führende Lola T616 den zehnten Rang in der Gesamtwertung belegte und die C2-Klasse gewann.

1986 schickte das Unternehmen zwei Mazda 757 mit dem neu entwickelten 13G Dreischeibenmotor mit elektronischer Einspritzung EGI ins Rennen. Weil die 450 PS immer noch nicht ausreichten, entschied sich das Team für den IMSA GTP Standard, der ein geringeres Fahrzeuggewicht erlaubte. Die beiden Mazda 757 hatten technische Probleme, aber eine deutliche Verbesserung der Leistung gab dem Team neue Hoffnung für die Zukunft. Und ihre Hoffnungen wurden im nächsten Jahr bestätigt, als ein verbesserter Mazda 757 das beste Ergebnis aller Zeiten für ein japanisches Auto erreichte: Gesamtsiebter und Erster in der IMSA-GTP-Klasse. 1988 wurde im Mazda 767 der 13J Vierscheibenmotor eingeführt, der später dem Mazda 787B den Sieg bringen sollte. 1989 gelang Mazda mit einer verbesserten 767B-Version ein beeindruckender 1-2-3-Sieg in der GTP-Klasse. Und obwohl der Mazda 787 1990 das Rennen nicht beendete, legte er dennoch den Grundstein für den Sieg im Folgejahr.


DAS RENNEN

Auf den Erfolg des 787B in Le Mans 1991 hatte sich Mazda zehn Jahre lang vorbereitet. 1967 war Mazdaspeed als unabhängiges Motorsport-Team von Mazda Auto Tokyo gegründet worden, einem der größten Mazda Händler Tokios. Vom unermüdlichen Takayoshi Ohashi vorangetrieben, trat das Team 1974 erstmals in Le Mans an und kehrte in den folgenden 18 Jahren 13 Mal auf die Rennstrecke zurück. 1983 übernahm die Mazda Motor Corporation das Team, und Ende der 1980er Jahre war Takaharu Kobayakawa, Programm-Manager des Mazda RX-7, verantwortlich für die Motorsportaktivitäten von Mazda. Zusammen mit Ohashi leitete er die Le-Mans-Initiative.

Da der Kreiskolbenmotor in der folgenden Saison aufgrund des neuen Reglements nicht mehr erlaubt sein würde, hieß es für den 787B: Jetzt oder nie. Ohashi hatte im Vorfeld bereits einen kleinen, aber wichtigen Sieg errungen. Von der damaligen Motorsportorganisation FISA erhielt er die Genehmigung, den 787B in der Standardkonfiguration fahren lassen zu dürfen, während die Konkurrenz als Teil einer neuen Regelung mit Zusatzgewicht starten musste. Und mit den drei erfahrenen Formel-1-Piloten Johnny Herbert, Volker Weidler und Bertrand Gachot im Auto mit der Startnummer 55 bestand tatsächlich Hoffnung, dass ein Gesamtsieg möglich sei.



Das Rennen verlief überwiegend unspektakulär. Nach einem starken Start kämpfte sich Weidler durch das Feld, und das Auto arbeitete sich fehlerlos durch die Nacht. Drei Stunden vor Rennende lag Nummer 55 auf Platz zwei, als plötzlich der in Front liegende Mercedes-Benz wegen eines technischen Problems aufgeben musste. Der Weg für Mazda war frei – und Nummer 55 blieb vorn und sicherte den ersten Gesamtstieg in Le Mans für einen japanischen Hersteller. Die beiden anderen Autos des Teams – der zweite 787B mit der Nummer 18 und ein 787 mit der 56 – machten mit Platz sechs und acht den historischen Erfolg für Mazda perfekt.
JOHNNY HERBERT: DER FAHRER, DER ALS ERSTES ÜBER DIE ZIELLINIE FUHR

„Ich war erschöpft und dehydriert. Es war nur das Adrenalin, das mich über die 24-Stunden-Marke gehievt hat.“

Johnny Herbert gehört zu einem exklusiven Club von Gewinnern, die ihren Sieg nie auf dem Podium gefeiert haben. Anstatt mit seinen Teamkameraden von Mazdaspeed den Pokal in Empfang zu nehmen, lag er bewusstlos im medizinischen Zentrum der Rennstrecke und zollte den Anstrengungen des Rennens Tribut. Das ganze Wochenende hatte Herbert kaum Schlaf gefunden und nichts anderes als Instant-Nudeln zu sich genommen.

Als die letzten Stunden des Rennens angebrochen waren, hatten Mazdaspeed-Teamchef Takayoshi Ohashi und der beratende Teammanager Jacky Ickx Herbert über Funk gebeten, seine Fahrzeit bis zum Ende des Rennens zu verlängern. Der Sieg war zum Greifen nahe, Ohashi wollte das Risiko eines weiteren Boxenstopps und Fahrerwechsels nicht eingehen. Herbert willigte ein, doch er war so erschöpft und dehydriert, dass nur das Adrenalin ihn über die 24-Stunden-Marke hievte.

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Bild links oben: Johnny Herbert bei seinem ersten Triumph.
Bild rechts oben: Der Mazda 787B NO. 55

Der 787B war das Produkt eines Teams, das sich auf dem Höhepunkt seiner Kräfte befand, erinnert sich Herbert. Ohashi war „scharfsinnig und hatte einen tollen Sinn für Humor“. Er hatte in den Jahren zuvor einige „brillante Ingenieursköpfe“ hervorgebracht und verfolgte bei der Zusammenstellung des Teams eine internationale Philosophie. Er holte Leute wie den britischen Autodesigner Nigel Stroud und den sechsmaligen Le-Mans-Sieger Jacky Ickx aus Belgien, der als Berater und Teammanager fungierte.

Herbert war dem Mazdaspeed-Team 1990 von Mazda Fahrer David Kennedy vorgestellt worden. Er erholte sich gerade von Verletzungen, die er 1988 gegen Ende seiner Karriere bei einem Unfall erlitten hatte, war hochgeschätzt und Formel-1-erfahren. Der Mazda, so Herbert, ließ sich „viel einfacher fahren als ein Formel-1-Auto“, Abtrieb und G-Kräfte seien deutlich weniger aggressiv. Das Cockpit war hübsch angeordnet und komfortabel, „der Kreiskolbenmotor absolut fantastisch“: seidenweich und vor allem extrem zuverlässig. Herbert lacht, als er sich an die Schaltbox erinnert („die langsamste der Welt“), aber sie war nun einmal auf Haltbarkeit statt auf Speed ausgelegt. Heute lässt sich eine Schaltbox in Le Mans bei einem Boxenstopp in unter zwei Minuten austauschen, doch 1991 musste die Box die gesamten 24 Stunden halten.



„Verglichen mit mächtigen Wettbewerbern wie Mercedes-Benz und Jaguar war Mazdaspeed ein sehr kleines Team“, erinnert sich Herbert. Aber nach Jahren des Lernens befand es sich im Juni 1991 in einer perfekten Position. Routinierte Fahrer wie Pierre Dieudonné und Yojiro Terada (und andere) brachten viel Erfahrung mit, und wenngleich das Team als Underdog galt, gab es am Ende doch keinen Zweifel daran, dass der Sieg hart erarbeitet und verdient war.

Herberts Erinnerungen an das Rennen sind auch nach 30 Jahren ungetrübt. Er erinnert sich an die Kameradschaft mit den anderen Fahrern. Wie sie versuchten, so viel Tempo wie möglich aus dem Auto herauszuholen und gleichzeitig den vorgeschriebenen Kraftstoffverbrauch (1,9 l/km) einzuhalten. Daran, wie das „wunderschöne Kreischen“ des Motors von Haupttribüne und Fahrerlager-Komplex zurückgeworfen wurde, und an die schlafenden Fans am Rand der Strecke in ihren Stühlen und Schlafsäcken, angeleuchtet von der Abgasflamme des 787B, wenn er in der Indianapolis-Kurve herunterschaltete.

Vor allem aber erinnert sich Herbert an das breite Lächeln auf dem Gesicht von Ohashi, als der Hauptkonkurrent, ein Mercedes-Benz, überhitzte und ausschied und der 787B mit der Nummer 55 die Führung übernahm. Als die 24-Stunden-Marke erreicht war, strömten die jubelnden Fans auf die Strecke. Der Rennwagen mit der Nummer 55 wurde zur Ikone, und dass bis zum nächsten Erfolg eines japanischen Teams in Le Mans 27 Jahre vergehen würden, zeigt, welche Leistung Mazda damals vollbracht hat.



MAZDA 787B NO. 55 IN Zahlen:

Startposition: 12. – Mazdas Startplatz auf der Strecke
Geschwindigkeit: 205,333 km/h – die Durchschnittsgeschwindigkeit des Gewinnerfahrzeugs 787B
Gewicht: 830 kg – Fahrzeuggewicht (170 kg leichter als die Standard-Rennwagen)



PIERRE DIEUDONNÉ, 1991 MAZDASPEED FAHRER DES 787 NR. 56

Für Dieudonné war es nichts Neues, mit Mazda zu gewinnen: Er hatte schon 1981 das 24-Stunden-Rennen von Spa in einem RX-7 für sich entschieden. Doch Le Mans 1991 bleibt natürlich etwas Besonderes.

Er erinnert sich, dass Johnny Herbert während des Rennens „Höllenqualen“ wegen seiner Verletzungen von 1988 litt; zwischen den Stints konnte man zusehen, wie sich Karbonteile aus seinen Füßen herausarbeiteten. „Mazdaspeed galt nicht als Favorit“, sagt er. „Aber das Team war technisch stark und wusste, dass es eine Chance hatte.“

Auch das „unermüdliche Streben“ von Mazda nach seinen Zielen und Überzeugungen beeindruckte ihn. Seit 1991 fährt Dieudonné ausschließlich Mazda. Aktuell ist er in einem Mazda3 unterwegs, seine Frau fährt einen CX-5.


TAKAHARU KOBAYAKAWA, MAZDA MOTORSPORT PROGRAMM-MANAGER 1991

Als Pierre Dieudonné 1989 100 zusätzliche PS für den Kreiskolbenmotor forderte, war die Entwicklungsabteilung von Mazda erst einmal fassungslos, erinnert sich Kobayakawa. Nun kam es auf Yasuo Tatsutomi an: Mazdas General Manager für Produktplanung und Entwicklung sollte die Zusatzleistung herauskitzeln, auch wenn manche aus seinem Team das für unmöglich hielten.

Trotzdem krempelten sie die Ärmel hoch, sagten ihre Urlaube ab und arbeiteten jede freie Minute an der Verbesserung des Motors. Über tausend Optimierungen wurden vorgeschlagen, am Ende wurden acht davon für 1991 umgesetzt. Nach dem Sieg in Le Mans wurde der Motor zurück nach Japan gebracht und auf Bitten Kobayakawas vor den Augen geladener Journalisten auseinandergebaut und untersucht. Der Zustand des Motors war so gut, dass er, so glaubt Mazda, noch weitere 24 Stunden geschafft hätte.
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